Der kalte Freund by Alexander Rahr

Der kalte Freund by Alexander Rahr

Autor:Alexander Rahr
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Hanser
veröffentlicht: 2011-06-14T16:00:00+00:00


Errichtet Russland ein Kartell?

Das, was sich an Konflikten zwischen Russland und der EU abspielte, hatte mit den angekündigten Zielen einer Energieallianz – über die Russland politisch näher an den Westen angeschlossen werden sollte – nichts mehr zu tun. Beide Seiten waren nicht um Schadensbegrenzung bemüht, sondern stritten heftig um den eigenen Vorteil. Dabei entstand Misstrauen auf beiden Seiten, das so schnell nicht abgebaut werden konnte. Die Grundlage für die geplante Energieallianz sollte eine ebenbürtige Geschäftsbeziehung bilden. Europäische Firmen wollten in den Upstream-Bereich, also in eine direkte Energieförderung in Russland investieren. Dafür suchten sie sich geeignete Partner, vornehmlich Gasprom. Im Gegenzug äußerten russische Firmen den Wunsch, den europäischen Kunden direkt mit Energieträgern zu beliefern. Die Deutschen nannten dies Reziprozität. Warum stockte der Prozess?

Der CEO von Gasprom, Miller, sitzt in einer Runde mit europäischen Journalisten in einem Berliner Nobelhotel und erklärt die russische Energiepolitik. Nach dem Gasstreit mit der Ukraine gebe es zum Bau der South Stream keine Alternative. Sein Blick geht in Richtung des Vertreters von BASF in Russland. Drei Monate später wird dieser Konzern durch seine Tochterfirma Wintershall dem Konsortium beitreten. Wintershall ist ebenfalls Mitglied des Konsortiums für den Bau der Nord Stream. South Stream sei das letzte große russische Investitionsprojekt in Europa, danach würde sich Gasprom dem asiatischen Markt zuwenden. 11 % der künftigen Gasexporte werden über LNG laufen. Der Export von Energieträgern in die asiatisch-pazifische Region soll in 20 Jahren ein Vielfaches der heutigen Menge am Gesamtexport betragen. In Asien, so Miller, geschieht vor unseren Augen eine Automobilrevolution, gasbetriebene Motoren haben Hochkonjunktur. Die EU solle auch angesichts der Tatsache, dass russisches Gas im Inland gebraucht würde, die Partnerschaft mit Russland nicht vernachlässigen.

Miller schaut aus dem Fenster auf den Potsdamer Platz. Wieviele deutsche Autos sind auf Erdgas umgerüstet?, fragt er in die Runde. Benzin ist out, aus Gründen des Klimaschutzes werden wir alle auf Gas umsteigen müssen. Und Russland liefert das Gas. Miller schlägt vor, eine Autobahn zwischen Berlin und Moskau zu verlegen, auf der nur gasbetriebene Autos fahren dürfen. Das Liberalisierungspaket der EU bezeichnet er als eine versteckte Subvention für regenerative Energiequellen. Die Gäste schreiben fleißig mit. Man bestellt Wasser – natürlich mit Gas, frotzelt jemand. Hat Russland genug Exportgas? Miller verzieht sein Gesicht. Die Gasförderung hänge von den Kaufverträgen ab, Gasprom produziere nur so viel Gas, wie bereits verkauft wurde. In der Finanzkrise sei die Gasproduktion rückläufig gewesen, weil die Nachfrage sank. Jemand stellt die Frage nach dem Gas-Kartell. CEO Miller wehrt ab: Niemand ist so verrückt, Europa zu erpressen.

Russland, Zentralasien und Iran besitzen über 50 % der Weltgasreserven und könnten theoretisch ein mächtiges Gas-Kartell bilden, das von seiner Bedeutung her der herkömmlichen OPEC ebenbürtig wäre, deren Mitgliedstaaten 75 % der Weltölreserven kontrollieren. Die Idee eines Gas-Kartells stammte nicht etwa vom Kreml, sondern vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, der sie Putin kurz nach dem 11. September 2001 unterbreitete. Die Gas-OPEC sollte Russland und alle Länder Zentralasiens umfassen und ein Gegengewicht zur Öl-OPEC bilden. Aserbaidschan unterstützte den Vorschlag ebenfalls. Doch die USA schritten sofort ein und torpedierten das Projekt, bevor es geboren wurde.



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